Diskutieren, verhandeln und Kompromisse finden – das stand für knapp 70 Schülerinnen und Schüler aus dem Großraum Nürnberg am 27. Juli 2021 anstatt Mathe, Chemie und Englisch auf dem Stundenplan. Bei einem großen Planspiel im Alten Rathaus in Nürnberg sind sie in die Rolle von Europaabgeordneten geschlüpft und haben als Mitglied einer Fraktion und eines Ausschusses an der Realisierung eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des europäischen Asylsystems mitgearbeitet. Am Ende der Veranstaltung stand dann tatsächlich auch ein fertiger Gesetzesentwurf, der von den Abgeordneten mehrheitlich angenommen wurde.

 

Diskutieren, verhandeln und Kompromisse eingehen

Der Tag ging früh los für alle Beteiligten in Nürnberg. Ab halb neun trafen die Schulklassen aus dem Großraum Nürnberg im Alten Rathaus ein, wo bereits alles für sie vorbereitet war. Während die Helferinnen und Helfer von der JEF Bayern bereits gespannt warteten, waren viele Schülerinnen und Schüler noch unsicher, was genau ihre Aufgabe für den Tag sein würde. Das sollten sie jedoch direkt zu Beginn der Veranstaltung im großen Sitzungssaal herausfinden. Auf jedem der vorgegebenen Plätze fanden die Teilnehmer*innen eine Mappe mit Unterlagen für die Veranstaltung. Sie konnten dieser ihre Fraktionszugehörigkeit entnehmen, fanden heraus, welchem Ausschuss sie zugeteilt sind und für welches Mitgliedsland sie im Parlament sitzen. Die Informationen zur Positionierung ihrer Fraktion und ihres Landes sowie die Details über ihren Ausschuss sollten vor allem für die Diskussion und die Änderungsanträge im späteren Verlauf der Veranstaltung noch wichtig werden.

Zuerst erfolgte jedoch die Begrüßung durch Sebastian Kramer vom Europabüro der Stadt Nürnberg und die anschließende Unterweisung durch Farras Fathi und Yannick Stiller von der JEF Bayern. Hier erhielten die Teilnehmer*innen nicht nur einen Tagesplan, sondern auch eine Erklärung zu den wichtigsten Begriffen und Funktionen. Das in der Unterweisung erklärte sollte sich später noch als hilfreich erweisen, als die Schüler*innen dann auch schon zur ersten Fraktionssitzung geschickt wurden. In den zugewiesenen Räumen wurden sie von den Helfer*innen der JEF Bayern in Empfang genommen. Die Aufgabe dieser ersten Sitzung war es, die Position der Fraktion zu verstehen und dann auch bereits die ersten Änderungswünsche für den Gesetzesentwurf zu besprechen. Nach kurzem Zögern einiger gelang es allen Abgeordneten sich in die politische Position ihrer Fraktion hineinzufinden. Schnell waren auch die ersten Änderungsanträge für die anschließende Ausschusssitzung geschrieben.

Die Ausschusssitzung war der nächste große Themenpunkt auf der Agenda, bei dem die Schüler*innen nun die Aufgabe hatten, ihre Änderungsanträge zu präsentieren und zu verteidigen, ehe über diese in den Ausschüssen abgestimmt wurde. Jede Fraktion hatte deshalb eine Delegation seiner Mitglieder in jedem der drei Ausschüsse sitzen – diese waren der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten (AFET), der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) und der Unterausschuss für Menschenrechte (DROI). Hier zeigten sich die Teilnehmer*innen schon viel weniger schüchtern und es entstanden teilweise feurige Debatten zwischen den politischen Lagern. Am Ende der Ausschusssitzung entstand durch die Annahme oder Ablehnung der Änderungsanträge auch ein geänderter Gesetzesentwurf.

Diesen geänderten Gesetzesentwurf haben die Schülerinnen und Schüler dann nach der Pause wieder mit in ihre Fraktionen genommen zur zweiten und letzten Fraktionssitzung des Tages. Bei dieser Sitzung wurden die Ausschusssitzungen nochmal durchgesprochen, es wurde geschaut, welche Änderungen angenommen oder abgelehnt wurden und wie sich dies auf den Gesetzesentwurf ausgewirkt hat. Zudem durfte jede Fraktion nochmal einen finalen Änderungsantrag stellen. Mit diesen letzten Änderungswünschen sind die Fraktionen dann in den Plenarsaal zurückgekehrt für die abschließende Diskussion und finale Abstimmung zu ihrem Gesetzesentwurf.

 

Abschluss der Debatte

Im Plenarsaal angekommen, ging es jedoch nicht direkt mit der Debatte weiter. Stattdessen erhielten sie erstmal ein digitales Grußwort von der Parlamentsabgeordneten Frau Dr. Pierrette Herzberger-Fofana aus Erlangen. Die Abgeordnete lobte die Teilnahmebereitschaft der Schülerinnen und Schüler und ging dann im weiteren Teil ihrer Rede auch noch vertieft auf die Schwierigkeiten der gegenwärtigen Migrationssituation ein. Im Anschluss an die Abgeordnete richtete auch der Wirtschaftsreferent der Stadt Nürnberg, Dr. Michael Fraas, noch das Wort an die Schüler. Abschließend kam dann endlich der Teil, den viele Schüler*innen schon mit nervöser Vorfreude erwarteten: die Plenardiskussion und die finale Abstimmung – die letzte Möglichkeit zur Beeinflussung des Gesetzesentwurfes. Jede Fraktion hatte zuvor eine*n Sprecher*in gewählt, der oder die nun die Positionierung der Fraktion, auch zu den letzten Änderungsanträgen, vertreten sollte. Die Schüler*innen zeigten sich sehr kommunikativ und reagierten flexibel auf die Änderungswünsche der anderen Fraktionen. Sehr schnell standen letzte Änderungen fest und die finale Abstimmung fand bevor. Dies war der Moment, auf den Teilnehmer*innen und Helfer*innen den ganzen Tag hingearbeitet haben. Können die jungen Abgeordneten sich einigen und einen mehrheitsfähigen Gesetzesentwurf zusammenstellen? Tatsächlich war dies möglich. Mit mehr als 50 Stimmen wurde der Entwurf mehrheitlich angenommen.

Veranstalter, Teilnehmende und Lehrpersonal zeigten sich am Ende des Tages sehr zufrieden. Nicht nur konnten die Schüler*innen viel neues Wissen über den Gesetzgebungs- und Verhandlungsprozess eines Parlamentes mitnehmen, sie haben auch die Komplexität von politischen Entscheidungsmechanismen selbst erfahren können.

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