JEF Bayern e.V.
Landesversammlung 2020 in Kitzingen

Beschluss der Landesversammlung vom 13. September 2020

Die COVID-19-Pandemie hat in ganz Europa großes Leid verursacht. Es wurden bereits Millionen von Menschen mit der Krankheit infiziert und mehrere hunderttausende Menschen sind bedauernswerter Weise verstorben. Zudem haben die Pandemie und ihre Bekämpfung enorme wirtschaftliche und soziale Konsequenzen für alle Europäer*innen. Es steht zu befürchten, dass weitere Wellen der Krankheit in naher Zukunft ausbrechen werden. Außerdem hat die COVID-19-Pandemie gezeigt, dass von Tieren übertragene Krankheiten jederzeit zu einer globalen Bedrohung werden können.

Leider hat die Europäische Union in dieser Krise kein geschlossenes Vorgehen gezeigt. Die Mitgliedstaaten haben jeweils eigene Regeln erlassen und die Europäischen Institutionen haben kaum koordinierende Vorgaben erlassen. Außerdem haben die Mitgliedstaaten in vielerlei Hinsicht sogar gegeneinander gearbeitet. Bei der Beschaffung von medizinischem Material ist ein Bieterwettstreit zwischen den Mitgliedstaaten entstanden. Neben dem unsolidarischen Verhalten innerhalb Europas, haben es die EU und die Mitgliedsstaaten versäumt, eine Instrumentalisierung der Situation durch die Volksrepublik China und der Russischen Föderation, welche gezielt und propagandistisch inszeniert medizinisches Material an die unterschiedlichen Mitgliedstaaten lieferte, zu kritisieren. Die zeitweise und nicht koordinierte Schließung der innereuropäischen Binnengrenzen hat eines der zentralen Prinzipien der Europäischen Einheit in Frage gestellt und die Versorgung mit Lebensmitteln und medizinischem Material gefährdet.

In der EU ist Gesundheitspolitik die alleinige Verantwortung der Mitgliedstaaten und die EU ist lediglich unterstützend und koordinierend tätig. Dies entspricht dem Prinzip der Subsidiarität und wird daher von uns unterstützt. Eine Pandemie ist jedoch per Definition grenzüberschreitend und ihre Bekämpfung erfordert daher zwingend europäische Koordination, Kooperation und Solidarität.

Daher ist eine europäische Regelung von Seuchenschutz unabdingbar und erfordert auch Übertragung von gesetzgeberischer Kompetenz an die EU.

Die COVID-19-Pandemie hat jedoch nicht nur Schwachstellen in der europäischen Gesundheitspolitik offenbart, sondern auch große Schäden im sozialen und wirtschaftlichen Alltag hinterlassen. Wir begrüßen ausdrücklich den solidarischen Grundgedanken des von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Europäischen Aufbauplans, der die Mitgliedstaaten mit zusätzlichen, aus dem EU-Haushalt bereitgestellten Mitteln bei der Bewältigung der Krise unterstützen soll. Der Europäische Aufbauplan zielt jedoch vor allem auf die Wiederbelebung der Wirtschaft ab und vernachlässigt andere Teile der Gesellschaft. Die Bekämpfung der Pandemie hat jedoch auch Künstler*innen, Musiker*innen, Kultureinrichtungen und Sportvereine getroffen, die langfristig keine Einkünfte aufgrund der Einschränkungen haben werden. So sind beispielsweise Mitgliedsbeiträge eingebrochen, Veranstaltungen werden mittelfristig unmöglich bleiben und ehrenamtliches Engagement ist aufgrund der Notwendigkeit der Kinderbetreuung zurückgegangen.

Zudem deckt der vorliegende Aufbauplan Schlüsselbereiche in der Pandemie wie die Unterstützung von gesundheitspolitischen Maßnahmen unzureichend ab. Auch sind zu wenige Mittel für zentrale Zukunftsinvestitionen wie Bildung, Forschung, Nachhaltigkeit und Digitalisierung vorgesehen. Hier muss in den weiteren Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament nachgebessert werden, um nicht den Status quo wiederherzustellen, sondern einen gemeinsamen Weg in ein Europa der Zukunft zu gehen. Ebenfalls lässt er eine klare Koppelung von Finanzdienstleistungen mit der Einhaltung europäischer Grundreiche und dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit vermissen.

Die JEF Bayern fordert daher:

  1. Ein einheitliches und solidarisches Vorgehen der Mitgliedstaaten in der Bekämpfung der aktuellen COVID-19-Pandemie, koordiniert von der Europäischen Kommission (beispielsweise durch die Entwicklung einer europaweiten Corona Warn-App) und einer europäischen Online-Plattform, die über aktuelle Entwicklungen, nationale und regionale Maßnahmen und Reiseeinschränkungen informiert.
  2. Dass bei zukünftigen Ausbrüchen von COVID-19 oder anderen Pandemien die innereuropäischen Grenzen nur koordiniert und nur als letztes Mittel zur Seuchenbekämpfung geschlossen werden. Stattdessen sollte bei der Eindämmung der Krankheit die Unterstützung von stark betroffenen (gegebenenfalls auch grenzüberschreitenden) Regionen im Vordergrund stehen.
  3. Die Stärkung des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Dies sollte mindestens umfassen, dass das ECDC die Kompetenzen für folgende Maßnahmen erhält:
    1. Die gemeinsame Beschaffung und Lagerung von Schutzmaterial und Testzubehör,
    2. Die gemeinsame Finanzierung der Forschung an Impfstoffen sowie deren Bereitstellung für alle Bürger*innen der EU,
    3. Die Ausbildung und Koordinierung des Einsatzes von medizinischem Personal,
    4. Die Erstellung von gemeinsamen Standards zur Erfassung von Infektionen.
  4. Die Übertragung von Gesetzgebungskompetenzen für Seuchenschutz an die EU. In diesem Kontext hat die EU die Möglichkeit regionale und grenzüberschreitende Infektionsschutzmaßnahmen umzusetzen.
  5. Eine Ausweitung der Ziele des Europäischen Aufbauplans, so dass neben der Wiederbelebung der Wirtschaft auch die ausreichende Unterstützung von gesundheitspolitischen Maßnahmen, Wissenschaft, Forschung, Kunst, Kultur und Sport im Mittelpunkt steht.
  6. Zudem sollen Mittel des Europäischen Aufbauplans zwingend an die Einhaltung der europäischen Grundrechte und des Rechtsstaatlichkeitsprinzips gebunden werden.

 

Druckversion: Gesund in die Zukunft Europas

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